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Familienunternehmen Gebr. Hummel
Hatten die Vohrers Adler undWeinfass zum Firmensymbol erhoben, fiel das Firmenzeichen
der zweiten Unternehmerfamilie mit einer Biene und einer Weinrebe etwas bescheidener aus,
was ihre Position imkaukasischenWein- und Spirituosenhandel jedoch keineswegs schmälerte.
Die Familie Hummel gehörte traditionell zu den führenden Familien der Kolonie. Im Jahre
1878
kauften vier Brüder zehn Desjatinen Land und legten zusätzliche Weinberge an. 1883
folgte ein Weinkeller mit entsprechendem Vertrieb der gekelterten Weine bis nach Baku und
Tiflis. Eine Küferei versorgte nicht nur die eigenen Keller, sondern bot zugleich notwenige
Nebeneinnahmen, um mit freien Mitteln weitere Landkäufe zu tätigen. Im Jahre 1895
verfügten die Brüder Hummel neben diesemHandwerksbetrieb bereits über einige zusätzliche
Weingärten in der Mutterkolonie selbst und über einen Weingarten in Elizavetpol’ von sechs
Desjatinen mit einem Keller von 15.000Vedro Lagerkapazität. Jährlich wurden Waren imWert
von 30.000 Rubel aufgekauft und für 40. bis 50.000 verkauft.
Der eigentliche wirtschaftliche Durchbruch setzte jedoch erst mit der Jahrhundertwende
ein. Der Bau einer Kognakfabrik inHelenendorf 1895 und die Errichtung vonAufkaufstationen
im Gouvernement unter Ausnutzung der Bahnverbindung Baku-Tiflis ermöglichten eine
Effektivierung des Unternehmens. Analog zur Fa. Vohrer kaufte das Unternehmen nicht nur
Trauben der deutschen Kolonisten auf, sondern zunehmend auch die der aserbaidschanischen
und armenischen Siedlungen der Kreise Göytschay und Schamachi und verarbeitete sie
in scheinbar so guter Qualität, dass die Kognaks und Weine der „Brüder Hummel“ auf
internationalen Ausstellungen 1899/1900 prämiert wurden. 1908 betrug der Umsatz bereits
750.000
Rubel für 220.000 Vedro Wein und 50.000 Flaschen Kognak und im Jahre 1913 dann
1,16
Mio. Rubel. Das bedeutete einen Reingewinn von 83.461 Rubel (1913) bzw. 180.000
Rubel im Jahre 1916. Dazu kamen noch 37.570 Rubel Einnahmen aus anderen Bereichen (u.a.
Immobilien) , so dass der Jahresumsatz im letzten Jahr des Bestehens der Firma auf 1,5 bis 2
Mio. Rubel geschätzt werden kann.
SetztmandieZahl derGesamterzeugung vonWeintrauben,Wein,Weinsprit undKognakder
beiden Unternehmen ins Verhältnis zur transkaukasischen und russischen Gesamtproduktion,
kommt man auf einen prozentualen Anteil, der zwischen drei und 15 Prozent liegen dürfte.
Th. Hummel (1936: 124-126) gibt eine Berechnung an, die alle deutschen Kolonistendörfer
Transkaukasiens mit einer Weinherstellung von 2,3 Mio. Vedro einschließt und verweist auf
einen Anteil der deutschen Kolonien an der Weinproduktion Russlands (27 Mio. Vedro) vor
dem 1. Weltkrieg von 8,56 Prozent. Bei einemUmsatz von einer Mio. VedroWein trugen damit
die beiden Handelshäuser fast die Hälfte des Weinabsatzes der deutschen Kolonistendörfer
oder etwa vier Prozent des gesamtrussischen Weinhandels. Mit dieser Marktposition hatten
sich die beiden Firmen ein Monopol geschaffen, das kleinere Winzer nicht nur in den Kolonien
zu spüren bekamen. Um dem Preisdiktat zu entgehen und vor allem um den wachsenden
technologischen Anforderungen gerecht werden zu können, entstanden nach dem Vorbild
der Familienunternehmen eine Reihe von Winzergenossenschaften wie „Hilfe“ (1903) mit 228
Mitglieder auf 114DesjatinenWeingärten, “Hoffnung“ (1906) in der TochterkolonieGeorgsfeld