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und „Konkordija“ (1908) in Helenendorf. Diese erwirtschaftete 1916 bereits einen Gewinn von
180.090
Rubel und trug damit nicht unbedeutend zur wirtschaftlichen Aktivität der Kolonie
bei. Konnte letztere auch die Sowjetisierungsphase bis Anfang der dreißiger Jahre überstehen,
war für Vohrer und Hummel mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und dem Erlass der
Enteignungsgesetze für deutsche Kolonisten der Zeitpunkt ihrer Liquidation gekommen.
Mit dem Jahr 1917 wurde der Firmenbesitz bis auf den ursprünglichen Grundbesitz der
Familienwirtschaften in das Eigentum der Aktiengesellschaften „Zakavkazskoe vinodelie“ und
Južnoe vinodelie“ mit einem Grundkapital von vier bzw. drei Millionen Rubel überführt. Mit
der Sowjetisierung Aserbaidschans ab 1920 kamen die Produktionsstätten und Weinberge in
„“
VolkesHand“. AusdemBesitzvonHummelundVohrerwurdendieSowchosen„Privokzal’nyj“,
Charabaeri“, „Sadylly“, „Karaery“, „Kara-arch“, „Kara-Tschanach“ und „Alabaschli“ geschaffen.
Die Besitzungen in der Nähe von Schamchor in einer Größe von 501 ha wurden im Sowchos
Azizbekov“ zusammengefasst. Im Jahre 1922 erfolgte die Gründung des staatlichen Trest
Aservino“, welcher alle Weinverarbeitungsanlagen und Sowchosen einschloss.
Die kollektive Wirtschaftsform der „Konkordija“ bildete zunächst günstige Bedingungen
für eine weitere Blüte der Kolonie in den zwanziger Jahren und ihr Überleben bis zur
Zerschlagung 1935 und bis zur Deportation aller Kaukasusdeutschen im Oktober 1941. War
aus den ehemaligen Besitzungen der Großwinzer mit „Aservino“ ein potentieller Konkurrent
für die Genossenschaft „Konkordija“ erwachsen, wurde im Zuge der sogenannten „Stalinschen
Säuberungen“ „Konkordija“ durch den staatlichen Monopolisten geschluckt. Der Kommentar
des deutschen Generalkonsulats Tiflis vom 11. Dezember 1935 lautete: „Die einst blühenden
deutschenWeinbaugenossenschaften Konkordija in Helenendorf und Union in Katharinenfeld
sind als deutsche Unternehmen eingegangen; sie bestehen als Filialen des transkaukasischen
Weintrusts mit armenischer und russisch-georgischer Leitung fort.“
Im Zuge der Sowjetisierung, der Immigration und Emigration Deutscher aus anderen
Gebieten der UdSSR, vor allem in das Industriezentrum Baku, stieg die Gesamtzahl aller
aserbaidschanischen Bürger deutscher Nationalität erheblich an. Ihre Geschichte wurde
wie die der deutschen Kolonisten jäh unterbrochen als sie nicht nur wie andere Bürger der
Sowjetunion die sogenannten „Stalinschen Säuberungen“ der 1930er-Jahre trafen, sondern mit
Erlass Nr. 744 vom 8. Oktober 1941 vom 15. bis 30. Oktober 23.580 Deutsche aus Georgien,
22.741
aus Aserbaidschan, nach Mittelasien deportiert wurden. Insgesamt mussten 46.533
Deutsche aus Süd- und 192.692 Deutsche aus Nordkaukasien (bereits mit Erlass vom 21.
September 1941) ihre Heimat zwangsweise verlassen. Die Ergebnisse von über einhundert
Jahren entbehrungsreicher Arbeit blieben zurück, und bis heute beeindrucken die Leistungen,
welche die Nachfahren deutscher Auswanderer vollbrachten.
InAserbaidschanistnebendemWohlgeschmackoriginalaserbaidschanischenKognaksundWeines
ein aufgeschlossenes Verhältnis zu diesem Erbe geblieben, dessen umfassende Aufarbeitung durch
aserbaidschanische (u.a. Dschafarli, Gumbatova, Zeynalova, Verdieva) und deutsche Wissenschaftler
und dessen Fortsetzung durch wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit begonnen hat.