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Um einen Eindruck von der Rolle der Metallbetriebe zu erhalten, genügt es, sich vor Augen
zu halten, dass vor dem Ersten Weltkrieg allein die etwa 1.700 Bohrtürme jährlich ungefähr
folgende Mengen Stahl verbrauchten:
5,0
Mio. Pud = 80.000 Tonnen Stahlblech
1,5
Mio. Pud = 24.000 Tonnen Bohrstangen
1,0
Mio. Pud = 16.000 Tonnen Formstahl.
Unter den 44 Bohrfirmen (1914) gehörten „Böpple & Co.“ (Besitzer Georg und Christian
Böpple, Gottlieb Mühlbach; 162 Beschäftigte), „Otto Lenz“
19
(
Besitzer: Otto Lenz Erben,
Otto Schneider; 283 Beschäftigte), „I.G. Strasser & Co.“ (Besitzer: Ivan Gottfried Strasser; 81
Beschäftigte) und „G.K. Riedel“ (Direktor: Karl Riedel; 265 Beschäftigte) zu den Großen der
Bohrbranche auf den Ölfeldern von Baku. Sie arbeiteten in Werkverträgen, stellten Technik
und Personal zur Verfügung und wurden nicht selten bei erfolgreich niedergebrachten
Bohrungen mit Anteilen aus dem Ölgeschäft entlohnt.
Trotz der wachsenden Zahl von Betrieben der Metallbranche und eines zunehmenden
Spezialisierungs- undFusionierungsprozesses konntendie örtlichenUnternehmendenBedarf
der Erdölindustrie weder inQuantität noch inQualität befriedigen. Dies traf insbesondere für
Maschinen wie Pumpen, Motoren, Dynamos, Kompressoren zu, für die in der Erdölindustrie
ein anhaltend großer Bedarf bestand. Hier erfüllten Handelshäuser, Firmenvertreter und
Kontore russischer und ausländischer Firmen vor Ort eine entscheidende Funktion. Sie
verkauften nicht nur, sondern boten in der Regel komplette Dienstleistungen an von der
konkreten Bedarfsanalyse bis zur Lieferung, Montage und regelmäßigen Qualitätsprüfung.
Ausgerüstet mit Ingenieuren, Monteuren und gut ausgestatteten Lagern konnten sie relativ
schnell auf die Bedürfnisse ihrer Klienten eingehen, aber auch längerfristigModernisierungen
planen und begleiten. So entstanden zwischen Lieferant undKäufer oftmals partnerschaftliche
Beziehungen , die eine Bindung des Kunden an bestimmte Erzeugnistypen erleichterte und
einen Übergang zur Konkurrenz erschwerte.
Die Aufstellung der Handelshäuser in Baku um1913/14 belegt, dass deutsche Unternehmen
in der Zuliefererindustrie einen führenden Platz einnahmen. Zugleich wird deutlich, dass
neben ausländischen Herstellern die russische Maschinenindustrie zunehmend an Bedeutung
gewann. Parallele Vertretungen waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Die Aufstellung von Firmenvertretern zeigt, dass bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges
die nationale Zugehörigkeit oder ethnische Abstammung des jeweiligen Großhändlers oder
19.
Otto Lenz, damals Kaufmann der zweiten Gilde, hatte 1884 die Genehmigung zum Bau einer Mechanischen Werkstatt „im Ostteil
der Stadt Baku“ erhalten. Vgl. NARA (Baku), f. 389, op. 3, d. 329, l. 6-6ob.. Eine Mechanische Werkstatt kleineren Ausmaßes besaß auch
Alexander August Flemming. Ebenda, f. 509, op. 1, d. 151, l.45.