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In Ergänzung des Geschäftsbereichs der Elektrotechnik erwarben die Siemens-Brüder in den
1860
er -Jahren auch einige Privatunternehmungen. 1864 kauften sie ein Kupferbergwerk in
Kedabeg, 1865-1868 eine Kobaltgrube in Daschkäsän (40 Kilometer von Kedabeg), 1879 eine
weitere Kupfererzgrube mit Hütte in Qalakänd sowie Ölquellen in Carskie kolodzy.
Während der Qalakänder-Elektrolyse-Betrieb nach einer Gesamtproduktion von 183.483
PudKupfer, 150,7 Pud Silber- und 10,5 PudGoldschlammimNovember 1900 eingestellt wurde,
arbeitete das Kupferbergwerk Kedabeg bis 1915 weiter. Allein dort wurde ein Reingewinn von
4.809.964
Rubel erwirtschaftet.
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Kedabeg lag in einem Bergmassiv. Der Weg zum Schwarzen
Meer war zu diesemZeitpunkt noch nicht durch die Eisenbahn erschlossen, was die geografisch
ungünstige Lage noch verschärfte und die Modernisierung der Berg- und Hüttenanlagen
erheblich verzögerte und kostspielig machte. Die Eröffnung der Eisenbahnverbindung
zwischen Tiflis, Elisavetpol‘ und schließlich Baku sowie die Errichtung einer Nebenstrecke von
23,4
Verst nach Qalakänd 1883 hatte der Frage des Transports und damit der Verwendung von
alternativen Brennstoffen anstelle vonHolz eine neue Chance eröffnet. Ab 1885 war in Kedabeg
im neuen Siemens-Schmelzofen die Erzschmelze mit Naphtafeuerung möglich geworden,
aber es fehlte eine preisgünstige und schnelle Liefervariante. Über ein Zwischenlager mit
Naphtareservoir in Annenfeld/Schamchor gelangte der Brennstoff per Kamel und Fuhrwerken
in die Verarbeitungsbereiche. Dies war eine Lösung, die bei steigendem Hüttenbetrieb
unbefriedigend bleiben musste und nach neuen Methoden suchen ließ.
Private „Nebengeschäfte“ der Brüder Siemens:
die Kupferproduktion in Kedabeg und Pipelinebau
28
28.
Vgl. auch Kölle (1965), S. 213-224.
29.
Kölle (1965), S. 168. Mit dem Ausbruch des ErstenWeltkrieges wurde der den Erben vonWerner von Siemens gehörige Teil von Kedabeg
und Daschkäsan auf die Siemenstöchter und russischen Miteigentümerinnen Baronin Buxhoevden und Baronin Graevenitz übertragen,
um den Sanktionen der russischen Regierung zu entgehen. Das verhinderte jedoch nicht die Internierung der deutschen Arbeitskräfte im
wehrpflichtigen Alter und die Ausweisung der Nichtwehrfähigen. Kedabeg lieferte im ersten Kriegsjahr noch ca. 50.000 Pud Kupfer, 1915
waren es 46.000 Pud, d.h. nur noch die Hälfte der Vorkriegswerte.
30.
Stahlrohre waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts keine Besonderheit mehr. Albert Poensgen hatte 1840 in Gemünd in der Eifel das er-
ste Werk zur Herstellung von Stahlröhren mit geschweißter Längsnaht Europas errichtet und während des Krimkrieges große Mengen an
Siederöhren für Schiffs- und Lokomotivkessel nach Russland ausgeführt. Jedoch konnten sie oftmals stärkeren Belastungen, z.B. in Dampf-
maschinen oder Kanonen, nicht standhalten. Die Suche nach preiswerten und dauerhaft dichten Rohren war in vielen Bereichen zu einem
dringenden Problem geworden, dessen Lösung die Remscheider Familie der Feilen- und Guß-Stahl-Fabrikanten Mannesmann fand. Ohne
hier die verschiedenen Verbindungen auf dem Wege zur Durchsetzung des neuen Verfahrens auch nur skizzieren zu können, ist auf die
Beziehungen zwischen den Siemens- und den Mannesmann-Brüdern zu verweisen, die über ihren gemeinsamen Lehrer, Professor Franz
Reuleaux (Berlin), 1887 zustande kam und am 5. Januar 1888 zur Gründung der „Mannesmann Tube Co. Ltd.“ und bereits zwei Jahre
später, am 16. Juli 1890, zu der „Actiengesellschaft Deutsch-Österreichische Mannesmannröhren-Werke mit Sitz in Berlin und Repräsentan-
zen in Wien und Komotau“ unter Beteiligung der Siemens- und Mannesmann-Brüder führte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren vier Mannes-
mann-Röhrenwerke in Betrieb gegangen, 350 Arbeiter produzierten monatlich für 150.000 bis 250.000 Mark. Als Geldgeber agierten neben
der Deutschen Bank der Schaffhausen‘sche Bankverein, das Bankhaus Delbrück & Co. sowie die die Disconto-Gesellschaft.