115
unter Beteiligung deutscher Firmen Zeiss, Jena statt, die das Interesse von breiten Kreisen
an neuesten Fotoapparaten und Zubehör weckte. Über russische Zwischenhändler kamen
französische, deutsche und schweizerische Uhren nach Baku. „Für Wanduhren nehmen die
Schwarzwälder Erzeugnisse, für Taschenuhren dagegen die Schweizer Waren den ersten Platz
ein“, wusste wiederum das deutsche Konsulat für 1903 zu berichten.
Eine unbestritten führende Marktposition besaßen deutsche Musikinstrumente. Sie kamen
direkt aus Deutschland oder über russische Betriebsstätten nach Kaukasien. Die Musikhandlung
Jendri
č
ek besaß ein ausgesprochenes Monopol sowohl im Instrumentenhandel als auch beim
VerkaufvonNotenundLehrmaterialien.FastalleführendenMusikalienhandlungenDeutschlands
waren in Baku durch Jendri
č
ek vertreten. Anhand von Memoiren und Zeitungsberichten jener
Jahre kann nachvollzogen werden, dass spätestens seit der Jahrhundertwende das Musikleben
Bakus mit dem Theater, den Bällen und Gesellschaften eine Blüte erlebte. Die musikalische
Ausbildung der Kinder undHausmusiken gehörte zum festen Bestandteil bürgerlicher Erziehung
sowohl ausländischer als auch russischer und einheimischer Familien. Über Jahrzehnte förderte
der 1871 aus Astrachan nach Baku gekommene Militärkapellmeister Franz Karl Österreich das
Musik- undTheaterleben der Stadt.
Stengel beschrieb das Bakuer gesellschaftliche Leben vor dem Ersten Weltkrieg so:
Baku ist keine große, aber sehr reiche Stadt. Der Reichtum und die große Kaufkraft brachten
es mit sich, daß man hier die besten Waren erwerben konnte. Besonders an Juwelen wurde sehr
viel geboten, lieben es doch die orientalischen Frauen, sich mit Kostbarkeiten zu behängen. Was
man an Juwelen besonders auf dem einmal jährlich stattfindenden armenischen Ball sah, grenzte
ans Fabelhafte. Jede Nation in Baku , mit Ausnahme der Tataren, deren Frauen Bälle in der Regel
nicht besuchten, veranstaltete einmal im Jahr ein Tanzfest. Interessant war immer der georgische
Ball. Sehr gut organisiert war das polnische Fest, das am meisten Vergnügungen bot. Die deutsche
Veranstaltung war eher kein Ball, sondern eine bescheiden aufgezogene Tanzgelegenheit mit wenig
Prunk. Die deutsche Kolonie inBaku – 1914 etwa 4000 Seelen – umfaßten viele einfache Leute, denen
etwas geboten werden sollte. Die Reichsdeutschen veranstalteten ihr Fest für sich, wozu natürlich
auch andere eingeladen wurden.“
Für die Ausstattung der Damen zu Festlichkeiten standen Schmuckerzeugnisse aus
Pforzheim zur Verfügung, die durch die hauptstädtischen Vertreter dieser Firmen nach Baku
gebracht wurden, aber hinter hochwertigen russischen rangierten. Tagesbekleidung wurde vor
Ort genäht, hochwertige Waren jedoch aus Paris, Wien und Deutschland eingeführt. Das traf
auch auf Schuhe zu, die für denMassenbedarf inTiflis, St. Petersburg oderWarschau gefertigt, in
hochwertigenQualitäten aber vor allemausWien angeliefert wurden. Andere Lederwaren, auch
Hüte kamen aus Deutschland, Spitzenprodukte der Kosmetik und Galanteriewaren wiederum
auch aus Paris und Wien. Nicht zuletzt war Baku damals bereits eine Reise wert. Im „Grand-
Hotel“ befand sich das Geschäft „Dresden“, im Hotel „Imperial“ spielte ein Damenorchester