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Beleuchtungskörper für Petroleum und Electricität lieferte in der Hauptsache Deutschland;
namentlich in sehr billigen und dabei recht geschmackvollen Mustern, stehen die deutschen
Fabriken unerreicht da. (...) Die deutsche Beleuchtungskörper-Industrie hat sich jedem
Geschmack
angepaßt.“
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Neben Lampenproduzenten waren auch die deutschen Hersteller von Emaillegeschirr
vor den österreichischen führend auf dem südkaukasischen Markt. Im Unterschied zu den
Massenprodukten der russischen Industrie wurde die bessere und haltbarere Ware geschätzt und
dafür gern auch ein höherer Preis gezahlt. Das Gleiche galt für Porzellan, Glas- und Töpferwaren,
wo sich deutsche Produkte gegen Glaswaren, die Frankreich lieferte (Baccarat), Tischporzellane
aus Österreich und Frankreich sowie gegen britisches Steingutgeschirr durchsetzen musste.
Konsul Röhll vermerkte in seinemBericht andenReichskanzlerGrafenvonBülow: „Das englische
Fayanceklosett fasste auf seinem Siegeszug auch hier immer festeren
Fuss.“
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Dieser Umstand
muss bereits damals so bemerkenswert gewesen sein, dass er Platz im Bericht fand.
Zugleich wurden traditionelle Fayancen, die in der orientalischen Bäderkultur auf eine
lange Tradition verweisen, durch Materialien ergänzt, die sich durch besondere Haltbarkeit
und dekorative Gestaltung auszeichneten und eine spezifische Nutzung ermöglichten: durch
Kacheln und Fliesen von Villeroy & Boch. Wann genau die ersten Produkte aus den Betrieben
vonVilleroy&BochnachKaukasien kamen, ist heute nichtmehr nachweisbar. NebenKlavieren,
Stoffen, Hüten etc. dürften auch Porzellane und Keramik aus Westeuropa nach Kaukasien
gekommen sein. Die Ausstattung der Häuser der neuen Reichen und die wachsende Anzahl
von ausländischen Fachkräften lies den Bedarf an Ofen- und Badkacheln sowie Bodenfliesen,
und Waschgeschirren steigen. Noch heute sind in zahlreichen Häusern der Innenstadt
Kachelöfen zu finden. So können sie noch im ehemaligen Familiensitz des Erdölmillionärs
Tachiyev, dem heutigen Historischen Museum, und im früheren Wohn- und Geschäftshaus
des Firmenvertreters von Rothschild Debur, dem heutigen Kunstmuseum Aserbaidschans
entdeckt werden, neben wertvollen Bildergalerien, traditionellen aserbaidschanischen
Gebrauchsgegenständen und Raumgestaltungselementen, wie Kaminen, Paneelen und
Stuckaturen. Diese Elemente entführen den Besucher in eine Welt europäisch-orientalischer
Symbiose. Und sicher nur wenige Bakuer wissen bisher, dass sie mit „
metlach
nicht nur einfach
von Fußbodenfliesen sprechen, sondern dass sich dahinter der Firmensitz von Villeroy & Boch,
der Ort Mettlach an der Saar, verbirgt.
Neben pharmazeutischen Produkten, die in der Form von Patentmitteln in „ziemlichem
Umfange“ die deutsche chemische Industrie (u.a. Fa. Gehe, Dresden) lieferte, konnte sich
Deutschland eine führendeRolle beimVerkauf vonHandwerkszeug, Flittergoldundoptischen
Geräten sichern. Im Jahre 1903 fand in Baku eine private „Fotographische Ausstellung“
38.
Bericht, Bl. 60.
39.
Bericht, Bl. 55. Der Satz wurde bei der Drucklegung des Jahresberichtes aus dem Original gestrichen.