30
Wussten Sie eigentlich, dass ...
-
tausende Familien 1816/17 aus Süddeutschland auswanderten und sich 1817/18 als
Kolonisten in Kaukasien ansiedelten?
-
die Tradition der industriellen Wein- und Kognakherstellung in Aserbaidschan auf die
deutschen Winzerdörfer Helenendorf und Annenfeld mit ihren Tochtergründungen zurückgeht?
-
die Unternehmen „Hummel“ und „Vohrer“ aus Helenendorf/Chanlar (heute GöyGöl) vor
dem Ersten Weltkrieg jährlich ca. 1 Mio. Vedro Wein (= 12,31 Mio.. Liter) umsetzten?
-
die „Gebrüder Hummel” mit Wein, Obstsprit und Kognak in 39 Gouvernements des
Russischen Reiches und in Deutschland handelten?
-
die Winzergenossenschaft „Konkordija“ noch bis in die dreißiger Jahre internationalen
Spirituosenhandel betrieb und zu den blühendsten Unternehmen in der Sowjetunion gehörte?
- 50.000
Kaukasusdeutsche aus Aserbaidschan, Georgien und Armenien im Herbst 1941
nach Mittelasien deportiert wurden?
Nicht ohne Grund sind Aserbaidschaner stolz auf ihre Tradition des Weinanbaus. Kognak,
Schaum- und Dessertweine aus dem Gebiet Elizavetpol’/Kirovabad/Gändschä waren
zu Zaren- und Sowjetzeiten gleichermaßen begehrt und sind es heute wieder. Zahlreiche
internationale Auszeichnungen bestätigen die Anerkennung auch im Ausland. Wenn die
Weinberge im Zuge der Antialkoholkampagne der 1980er-Jahre auch weitgehend abgeholzt
wurden und heute nur mühevoll wieder heranwachsen, versuchen findige Unternehmer an
die Tradition der Winzerei anzuknüpfen.
Von den Worten „Helendorf/Chanlar“, „Annenfeld/Schämkir“, „Traubenfeld/
Tovuz“, „Vohrer“, „Hummel“ und „Konkordija“ scheinen dabei magische Kräfte
auszugehen, denn die neuzeitliche aserbaidschanische Geschichte der Erzeugung von
alkoholischen Getränken ist eng mit der Geschichte dieser ehemaligen deutschen
Siedlungen im früheren Gouvernement Elizavetpol’ verknüpft (Auch 2001).
Im innersowjetischen Vergleich handelte es sich in Aserbaidschan um eine relativ
kleine Anzahl deutscher Siedlungen. Es waren im Jahre 1816/17 vor allem Familien
aus Baden-Württemberg, die sich auf den Weg nach Kaukasien machten. In der
Zeit der Napoleonischen Kriege führten ständige Plünderungen, erhöhte Steuern
und die vermehrte Aushebung junger Leute zum Kriegsdienst zu einer rapiden
Verarmung der Bevölkerung. Hinzu kam die Politik des späteren Königs Friedrich
II. von Württemberg, der im Zuge einer Reorganisation seines Staatswesens, die
alten Gesangsbücher Augsburgscher Konfession (1792), Katechismen, Agenden
(1792)
und die traditionelle Liturgie (1809) abzuschaffen versuchte. Während viele
II. Teil: Vom Neckar an den Kura-Fluss:
Deutsche Weinbauern in Südkaukasien
Weinetikett der Firma
Gebr. Vohrer, Helenendorf