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Erkundung, Förderung, Verarbeitung, Transport und Absatz von Erdöl waren folglich jene
Bereiche, die in- und ausländische Abenteurer und Unternehmer anlockten. Sieht man davon
ab, dass 1912 die Berliner „Discont-Gesellschaft“ noch 40 Prozent der Aktien der Gebrüder
Nobel hielt und einVertreter der Bank zu den ständigenVorstandsmitgliedern gehörte, finden
sich keine nennenswerten Aktivitäten reichsdeutscher Unternehmer oder Gesellschaften bei
der Förderung von Erdöl. Zu den „großen“ Erdölfirmen Bakus mit „deutschen Wurzeln“
gehörte lediglich das „Handelshaus Benkendorf “, welches seit 1872 auch Erdölfelder in
Balachani besaß und um die Jahrhunderwende Probebohrungen in der Steppe von Salyan
durchführte. Der Firma Benkendorf gehörte neben erdölverarbeitenden Betrieben auch ein
Eisen- und Kupferwalzwerk sowie eine Maschinenbaufabrik. Mehrere Male änderte sich
die Rechtsform des Unternehmens, bis es 1920 enteignet wurde.
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Ein Protokoll der ersten
Aktionärsversammlung der „Moskauer-Surachany Erdöl- und Handels-AG“ (gegründet
am 8. März 1916) vom 10. Juni 1916 verweist auf das Einfließen des Eigentums von Paul
Iosifovi
č
Ljukke (Lücke) und des Ingenieur-Technologen Anatolij Aleksandrovi
č
Fon-Gaber
in die neue Gesellschaft. Dabei handelte es sich keineswegs um ein geringes Vermögen,
hatten die beiden Unternehmer doch zwischen 1912 und 1916 eine Reihe von Verträgen mit
Gemeinden über Bohrrechte in Amiradschan abschließen können. Verschuldet gegenüber
dem Moskauer Hause „L. Knopp“ mit 370.027,28 Rubel. wurde der Wert des Besitzes
mit zwei Millionen beziffert. Davon erhielten in Aktien Lücke 1,017.400 und Fon-Gaber
550.000
Rubel. Weitere Aktionäre wurden F.M. Fon-Kruse (15.200 Rubel.), M.A. Fon-Kruse
(180.000),
Z.E. Kronenblech (130.100), V.F. Gartung (63.000), M.T. Kul’
č
ickij (25.000) A.E.
Busse (15.300) und Sch. Balaev (4.000). Für ihre Leistungen sollten später die Herren V.V.
Barto und M.O. Girschmann mit je 50 Aktien, andere mit je zehn Aktien aus den Beständen
Lücke und Gaber entschädigt werden.
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Aus denReihender „Kaukasusdeutschen“ istwahrscheinlichnur eine Firmahervorgegangen,
die 1897 gegründete Bohr- und Nahptagesellschaft Boepple (NARA, Baku, f. 665),
10
die sich
1914
in eine Aktiengesellschaft „Gebr. Boepple“ mit einem Stammkapital von einer Million
Rubel umwandelte. Erhaltene Aktenbestände zu den Erdölfirmen „Kajser“ (f. 706, 1898),
Ljukke i Fon-Gaber“ (f. 718), „A.I. Klejn“ (f. 710, 1899-1919), „M.M. Schumacher“ (f. 788,
1900-1914)
und „Konkordija“ (f. 707, 1899) beinhalten lediglich Bohrberichte und geben
keinerlei Aufschluss über die Herkunft der Besitzer.
8.
NARA (Baku), f. 577 (1872-1920).
9.
NARA (Baku), f44, op.4, d. 541, l. 4-6.
10.
Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Familien BOEPPLE in den Kolonistend
örfern
und Baku sind nachgewiesen. Nach-
kommen leben heute in Deutschland.