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Verfolgt man Angaben aus den Kaukasischen Kalendern, Tageszeitungen bzw.
Branchenverzeichnisse der Vorkriegsjahre, wird deutlich, dass sich deutsche Spuren nicht
allein an deutschen Firmennamen ablesen lassen. Großen Anteil an der Entwicklung des
Bakuer Reviers haben auch Einzelpersonen aus unterschiedlichen Branchen. Nach der
Jahrhundertwendedrängtenzudemverstärkt reichsdeutscheunddeutschstämmigeFacharbeiter
nach Baku, darunter viele Wolgadeutsche, die gern eingestellt wurden oder versuchten, hier
selbständig zu werden, sowie Montagearbeiter, die zur technischen Umsetzung von Aufträgen
aus Deutschland oder anderen Städten des Russischen Reiches kurz-oder längerfristig
nach Baku kurz-geschickt wurden. So hatten zahlreiche erdölfördernde Unternehmen
oder Werkstätten, die für die Erdölfelder bzw. erdölverarbeitende Betriebe arbeiteten, unter
ihrem internationalen technischen und Verwaltungspersonal deutschsprachige Fachleute
reichsdeutscher, russland(balten-) deutscher und/oder jüdischer Herkunft.
Bereits 1830 hatte der deutsche Naturwissenschaftler Reichenbach ein Verfahren zur
Herstellung von Photogen aus Holz, Torf u.ä. entwickelt und damit traditionellen Leuchtstoffen
wie Kerzen und Pflanzenölen Konkurrenz bereitet. Auf Anregung von Baron Nikolaj E. von
Tornau bauten die Inhaber des „Transkaukasischen Handelshauses“ V. A. Kokorev und P.I.
Gubonin 1859 in der Nachbarschaft des Tempels der Feueranbeter in Sucharani ein erstes
Photogen-Werk. Das Projekt und die Technologie dafür erarbeitete der deutsche Chemiker
Justus Liebig, seinen Assistenten E. Moldenhauer der von 1858 bis 1860 nach Baku schickte,
um die Produktion umzusetzen und zu überwachen. Als Konsultant beteiligte sich Wilhelm
Eduard Eichler (1822-1891) daran, der in Moskau Chemie studiert hatte. Allerdings sollte sich
erweisen, dass der Ölgehalt des Bodens zu gering war, und so scheiterte auch das Werk der
Firma „Witte und Co.“ auf der Hl. Insel östlich der Halbinsel Apscheron. Als ab 1859/60 in den
USA die Raffinerie des Rohöls
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glückte, unternahmen auch Kokorev und Gubonin Versuche.
Jetzt bereits unter der Leitung von Engler gelang die Raffinerie und ab 1863 erschien für 40
Kopeken pro Pud das erste einheimische Kerosin auf dem russischen Markt.
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Als einer der ersten, die ihr Glück im Bakuer „Öl-Eldorado“ versuchen wollten, kam Otto
Karl Lenz Anfang der 1870er-Jahre aus Deutschland.
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Er spezialisierte sich zunächst auf
die Bohrtechnik und konnte hier ein lohnendes Unternehmen aufbauen. Seine Erfindung
eines Ölzerstäubers machte Lenz über sein eigentliches Gewerbe hinaus bekannt. Er setzte
Dampf als Triebmittel für Öl ein, um damit Flammen zu regulieren und konnte mit dieser
11.
Bereits 1823 war den Brüdern Dubinin in Nordkaukasien die Raffinerie geglückt, jedoch kam es noch zu keiner Verbreitung des
Verfahrens.
12.
Neben diesen Verdiensten sollte sich der Name „Eichler“ (eine traditionsreiche Apothekerfamilie in Moskau) durch weitere Familien-
mitglieder in Aserbaidschan verewigen: Bruder Karl Eichler folgte der Familientradition und unterhielt erst in Schamachi dann in Baku
eine Apotheke, der Sohn, Adolf Wilhelm Eichler (1869), war der Architekt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baku.
13.
Auch sein Bruder Philipp Karl Lenz kam nach Baku und eröffnete hier auf der Basis einer eigenen Farm zwei äußerst beliebte Milch-
geschäfte. Mit seinem Kefir belieferte er ausschließlich Apotheken.