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hier vereinfacht dargestellten Idee erreichen, dass die Dampfschiffe, die bis dahin mit Holz
geheizt wurden, von nun an mit billigem Brennöl, einem Rückstand der Öldestillation,
befeuert werden konnten. Das gleiche Verfahren war bei Lokomotiven und bei der
Destillation von Rohöl verwendbar. Lenz war zwar verwandtschaftlich „vorbelastet“,
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hatte
aber keine technische Ausbildung erhalten. In Anbetracht seiner technischen Erfindungen
im Bakuer Revier setzte sich der Konteradmiral der Kaspi-Flotte dafür ein, dass Otto Lenz ein
Ingenieurdiplom des Technologischen Instituts in St. Petersburg verliehen wurde. Das half
ihm jedoch nicht, als er aufgrund der Anzeige eines russischen Offiziers wegen drakonischer
Bestrafung eines betrunkenen russischen Arbeiters 1894 des Landes verwiesen wurde.
Allerdings blieb sein Unternehmen bis 1915 bestehen. Mit ihm arbeitete auch die Familie
des 1895 in Chadschikänd geborenen (und später als Kundschafter berühmt gewordenen)
Richard Sorge zusammen, die 1877 aus Berlin nach Baku gekommen war.
ZudeneinflussreichstenPersönlichkeitenBakus gehörteKommerzienratArnoldMichajlovi
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Fejgl, geboren 1854 in Österreich und seit 1878 im Kaukasus ansässig. Er war einer der drei
Direktoren der „Kaspi-Schwarzmeer-Gesellschaft“ in Baku. Unabhängig von Rothschild
besaß er eine Reihe von Ölquellen und führte über Jahre den Rat des „Kongresses der Bakuer
Erdölproduzenten“ an. Zugleich war er stellvertretender Vorsitzender des Börsenkomitees und
Abgeordneter der Bakuer Stadtduma. Sein Bruder - Leopold Fejgl - war Kaufmann der ersten
Gilde und hatte als Mitglied des Städtischen Eisenbahnkomitees Einfluss auf die Zuteilung
von Waggons und Zisternen. Der Ingenieur-Technologe Adolf A. Huchman gehörte ebenfalls
zur Leitung des Unternehmens und war zugleich Vorstandsmitglied der Bakuer Abteilung
der Kaiserlichen Russischen Technischen Gesellschaft. Besonderes Interesse verdient auch
der Chefingenieur und das Mitglied des Rates des Kongresses der Erdölproduzenten David
Landau. Er kam aus St. Petersburg und leitete in Baku die Rothschildschen Förderbetriebe,
führte dort eine Reihe von Neuerungen ein und stellte diese auf zahlreichen Veranstaltungen
auch der Bakuer Öffentlichkeit vor.
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Sein Sohn Lev, 1908 in Baku geboren, sollte 1962 den
Nobelpreis für Physik entgegennehmen können.
Unter den leitenden Mitarbeitern der Firma „Gebr. Nobel“ fanden sich überwiegend
schwedische Fachkräfte, nur vereinzelt lassen Namen auf eine deutsche Herkunft schließen. So
unterstand die Abteilung für Kerosinreinigung um 1900 A.I. Zejfert und leitender Ingenieur
14.
Aus dem Erinnerungsbericht von Leo Stenzel, Manuskript (nach 1920), S. 8-10. Lenz war ein Enkel des durch seine Induktionslehre
berühmten Physikers Emil Lenz (Heinrich Friedrich Emil Lenz, 1804 geb. in Dopat, 1865 verst. in Rom), der sich als einer der ersten Wis-
senschaftler mit den Niveauveränderungen im Kaspischen Meer beschäftigte. Seine Reiseerlebnisse aus Baku erschienen 1832 in Leipzig.
15.
Polonskij (1998), S. 24-29. Polonskij verweist S. 30-31 darauf, dass im Umfeld der Rothschilds 20-30 kleinere jüdische Unternehmen
entstanden, die ohne die Hilfe günstiger Kredite und technischer Unterstützung nicht hätten bestehen können. Darunter werden genannt:
I.G. Galperin, M.M. Šumacher, die Brüder Dembot, O.E. Lejtes, N.M. Cejtlin, Lameraner, Gendler, Klejman, A. Wol’f, S., S. Šifrin.