94
20.
Kirchner (1985), S. 9.
21.
Zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baku gehörte auch die schwedische und eine kleine armenische
Gemeinde.
22.
Vgl. NARA (Baku), f. 46, op. 1, d. 461.
23.
Vgl. Reuß (1993); Heller (2000)
Firmenvertreters für die eigentliche Geschäftsabwicklung keine Rolle zu spielen schien.
Ein Händler konnte durchaus als Vertreter branchengleicher Unternehmen agieren.
Wenn nicht ausdrückliche Vertragsregelungen anderes vorsahen, waren die jeweiligen
Geschäftskonditionen die entscheidenden Kriterien. Es bestätigt sich die Aussage von
Kirchner, die er für das ausländische Unternehmertum in Zentralrussland traf, dass
für die Unternehmer Firmeninteressen wichtiger waren als nationale
20
,
auch wenn die
Abstammung, die gemeinsame Sprache und Bindung an die Bakuer evangelisch-lutherische
Gemeinde
21
die Kommunikation und Bildung von Netzwerken begünstigt haben mag.
Weder die Polizei, noch die Fabrikdirektion in Baku interessierten sich bis 1915 für die
Untertanenschaft der Geschäftsleute. Und so hatten sie bei der Durchsetzung der Erlasse über
die „Beschlagnahmung von Eigentum von Angehörigen feindlicher Mächte“ Mühe, jüdischen,
reichs-, russlanddeutschen und österreichischen oder schweizerischen Besitz auseinander zu
halten und zu agieren, zumal die Besitzer oftmals kurz zuvor gewechselt hatten.
22
Immerhin
enthielt die entsprechende Liste 33 Firmennamen. Darunter finden sich drei Besitzer von
Erdölförderstätten (A. Gaber/Sucharani, M. Dassel/ Balachani und F. Zejdt/Balachani), drei
Bohrunternehmen (Riedel/Balachani, Goldlust, Boepple), zwei elektrische und 13 technische
Kontore sowie drei mechanische Werkstätten (Otto Karl Lenz) und ein Stahlwalzwerk (O.A.
Stopper).
Vertreter deutscher Firmen waren vor Ort wichtige Mittler zwischen den technologischen
Neuerungen in Westeuropa, den Tochterfirmen oder russischen Produktionsstätten in
Zentralrussland sowie dem konkreten Kunden in Baku. Diese Mittlerfunktion war durchaus
zweiseitig, stellten doch die tatsächlichen, nicht nur die klimatischen Bedingungen in
Südkaukasien oftmals eine Herausforderung an das Material und die ingenieurtechnischen
Leistungen dar, der nicht alle Produkte und Persönlichkeiten immer gewachsen waren.
Zuverlässigkeit und Qualität waren jedoch bereits damals Kriterien, die nach Einschätzung
des Bakuer Konsulats einen etwas höheren Preis deutscher Erzeugnisse rechtfertigten.
In diesem Kontext ist auch die Rolle deutscher Erfindungen für den technologischen
Fortschritt im Erdölrevier Baku zu bewerten, die teils über Umwege wirksam wurden. Zu
nennen sind hier vor allem zwei technische Entwicklungen: Der Diesel-Motors
23
,
der eine
Revolutionierung der Schifffahrt und der Antriebssysteme auf den Ölfeldern einleitete und die
Herstellung von nahtlosen Rohren durch die Firma Mannesmann (und ihre Lizenznehmer),
welche den Bau von großen Erdölpipelines ermöglichte.