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Die M.A.N. betätigte sich im Unterschied zu Siemens nicht
an der Fabrikation in Russland, sondern setzte auf den Verkauf
von Patenten und Lizenzen, unter denen die Entwicklung
des fabrikreifen Dieselmotors die größte Bedeutung
hatte. In Hinblick auf die erheblichen Ölressourcen, über
welche die Gebrüder Nobel verfügten, trafen sich am 2.
Februar 1898 Emanuel Nobel, ein Neffe Alfred Nobels und
Besitzer der St. Petersburger „Maschinenfabrik Ludwig
Nobel“, und Alfred Diesel. Im Ergebnis entstand am zwei
Monate später die „Russische Diesel-Motor Co. Nürnberg“.
Gründungsmitglieder waren Emanuel Nobel (St. Petersburg),
der sich mit 600.000 Mark beteiligte, der schwedische Bankier
Marcus Wallenberg (Stockholm) und Berthold Bing, ein
Nürnberger Hopfenhändler mit guten Russlandkontakten, die
jeweils 100.000 Mark einbrachten sowie Adolf Diesel, welcher
200.000
Mark in Aktien erwarb. Dafür erhielten Vertreter der
russischenLizenznehmer dasRecht, sich inAugsburgüber die jeweils neuestenEntwicklungen
im Dieselmotorenbau zu informieren. Diesel verpflichtete sich, kostenlos Zeichnungen,
Neuentwürfe und Kalkulationen zur Verfügung zu stellen. Diese Regelung wurde 1909 derart
geändert, dass die gegenseitigen Besuche auf zwei bis sechs Tage pro Jahr reduziert wurden.
Da sich das Dieselgeschäft in Russland äußerst günstig entwickelte, hatte sich der Kauf bereits
nach zehn Jahren rentiert, und sämtliche Aktien konnten eingelöst werden. Die Gründung
von Tochtergesellschaften und der Weiterverkauf der Patente an diese sollten für die Firma
Nobel zu einem großen Geschäft werden, das die deutschen Maschinenbauer sicher nicht
vorausgesehen hatten. Bereits 1902 war die Nachfrage nach demMotor so groß, dass Nobel sie
nicht mehr befriedigen konnte. Bis 1913 wurden in Russland 146.000 Dieselmotoren gebaut;
weder England noch die USA konnten damit konkurrieren. Regelrecht revolutioniert wurde
die Wolga-Kaspi-Schiffahrt durch den Dieselmotor, wo dem Vorbild Astrachaner Kaufleute,
die seit 1873 Tankerschiffe einsetzten, auch die „Gebr. Nobel“ folgten. 1901 entschloss sich
der leitende Direktor von Nobel, K.W. Hagelin, für den Öltransport von Astrachan nach St.
Petersburg zwei Tanker mit Dieselmotorantrieb zu bauen. Nach den Wolgaschiffen „Vandal“
und „Ssarmat“ (1903/05; 74,5 Meter lang, 9,70 Meter breit mit einer Tragfähigkeit von 800
Tonnen) wurde 1908 das erste seetaugliche Dieselmotor-Schiff, der Tanker „Delo“, auf dem
Kaspischen Meer in Betrieb genommen. Es hatte einen Tiefgang von 4,60 Meter, war 108
Meter lang und 14 Meter breit und hatte eine Tragfähigkeit von 4.200 Tonnen. Einer der
Von Dieselmotoren für die Kaspi- Schifffahrt
bis zum ersten Mercedes