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ersten Seetanker mit direkter Umsteuerung war die „Robert Nobel“, die 1911 in Dienst
gestellt wurde. Von insgesamt 21 in der Zeit von 1904 bis 1911 registrierten Motorschiffen
waren 19 mit Dieselmotoren von Nobel ausgestattet. Die Steigerung der Transportumfänge
für Erdöl in diesen Jahren waren so u.a. einer großen technischen Erfindung geschuldet, die
ihre Wurzeln in Deutschland hatte, aber zu einer wahrhaft „europäischen“ Leistung wurde.
Weniger aktiv in der Fabrikation, aber interessiert am Export waren Humboldt und
Deutz“. Sie kombinierten den Vertrieb in Deutschland hergestellter Waren mit der
Einrichtung von Teilelagern und Reparaturwerkstätten, so dass der Service vor Ort durch
Fachkräfte aus Deutschland oder ausgebildete Einheimische wahrgenommen werden konnte.
Einer der ersten, der nach Baku reiste, war Gottlieb Daimler. Er war zu diesem Zeitpunkt,
im Oktober 1881, bei Otto Deutz beschäftigt und wurde beauftragt, die Bedingungen für die
Einrichtung einer Filiale zu erkunden. Deutz-Agenturen bestanden bis dahin bereits in St.
Petersburg, Moskau, Kiev, Odessa, Helsingfors, Warschau, Tiflis, Baku und Ekaterinoslav.
Daimler erkannte die großen Geschäftsmöglichkeiten auf den Nobelschen Erdölfeldern, riet
jedoch von einer direkten Produktion in Russland ab, „da die Russen ausländische Waren
den einheimischen vorzögen. Alles was gut an Maschinen sei, käme, so meinten sie, aus dem
Ausland.“
24
Auf das Angebot der Firma Felser in Riga, gemeinsam eine Produktionsstätte
aufzubauen, ging die Deutzer Direktion ebenso nicht ein, wie auf eine Offerte der Fabrik
Ludwig Nobel, den Otto-Motor zu bauen. Es mutet wie eine
Ironie der Geschichte an, dass Daimler ausgerechnet an der
Kreditwürdigkeit des Nobel-Unternehmens zweifelte, und so
entging „Deutz“ – ähnlichwieDiesel undMAN– eineChance
zur Entwicklung einer einträglichen Zusammenarbeit.
So blieb der Absatz in Deutschland produzierter Waren
Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeiten.
Einen
großen
Anteil
an
der
erfolgreichen
Entwicklung im Bakuer Erdölrevier hatte vor allem
Max Gierse (1864-1953).
25
Im Verlauf von 17 Jahren
bis zur seiner zwangsweisen Abreise aus Baku im Jahr
1915
war Gierse zu einem angesehenen Geschäftsmann
geworden, der nicht nur Gas-, sondern alle Arten von
Motoren, Elektrostationen, Pumpen, Kompressoren,
Zubehör für Gas- und elektrische Heizungen sowie
24.
Zitiert nach Kirchner (1985), S. 191.
25.
Max Gierse wurde 1864 in Köln-Mülheim geboren, erlernte das Schlosserhandwerk in Brüssel und war seit 1883 in der Fa. Gasmo-
torenfabrik Otto & Langen („Deutz“) tätig. Montagearbeiten führten ihn nach Barcelona, Genua, Konstantinopel, Nižni-Novgorod,
Kazan und schließlich von 1898 bis 1915 nach Baku. Nach einem gescheiterten Rückkehrversuch nach Südkaukasien 1921 im Auftrage
eines deutschen konsortiums arbeitete Gierse von 1922 bis 1938 in Siebenbürgen. Sein Sohn, Ludvig Gierse (Köln), stellte mir zahlreiche
Unterlagen über seinen Vater zur Verfügung, wofür ich mich recht herzlich bedanke.